Dr. Andreas Ermacora

Präsident Österreichischer Alpenverein

Alpenverein Österreich: Der größte alpine Verein Österreichs

Dr. Andreas Ermacora

Präsident Österreichischer Alpenverein
Dr. Andreas Ermacora ist seit 25 Jahren im Führungsgremium des Österreichischen Alpenvereins vertreten und genießt dort großes Vertrauen. Im Jahr 2013 übernahm er das Präsidentenamt von seinem Vorgänger Dr. Christian Wadsack und wurde nun von der Hauptversammlung, dem wichtigsten Gremium des Alpenvereins, zum zweiten Mal in seinem Amt bestätigt. Quelle: https://www.alpenverein.at/

Hallo Herr Dr. Ermacora,

Sie sind Präsident des Österreichischen Alpenvereins. Was sind die Hauptaufgaben Ihres Vereins?

Unsere wichtigsten Aufgaben sehen wir in der Förderung und Ausübung bergsportlicher Tätigkeiten (Wandern, Bergsteigen, Klettern, Skitouren sowie Trendsportarten in den Bergen) und der dazu notwendigen Ausbildung von Fachleuten. Der Alpenverein stellt mit Hütten, Wegen und Kletteranlagen die dafür erforderliche Infrastruktur bereit und sorgt für fachliche Beratung und Information. Unser soziales Engagement wird in der erfolgreichen Familien- und Jugendarbeit und in eigenen Programmen für Senioren sichtbar. Der Alpenverein ist Pate und Partner alpiner Nationalparks und anderer Schutzgebiete und kümmert sich als ökologisches Gewissen um alpine Umweltfragen.

Welche Rolle spielen alternative Wintersportarten im direkten Vergleich zum klassischen Skifahren?

Der alpine Skilauf spielt im Wintertourismus in den Alpen nach wie vor eine sehr wichtige Rolle,wobei man hier klar auf aktuelle Tourismusstudien verweisen muss, die belegen, dass viele Gäste eine Vielfalt an Sportmöglichkeiten sehr schätzen. Dies gilt nicht nur für Urlauber, sondern auch für die Einheimischen. Hätte man vor zehn Jahren jemandem erzählt, dass man auf der Lampsenspitze im Sellrain an einem starken Tourentag mit 300 anderen Skitourengehern am Gipfel steht, so hätte man laut darüber gelacht. Auf der Rosshütte in Seefeld zählte man zu Saisonanfang (Dez. 2016) über 1.000 Tourengeher pro Tag, die die Skipiste zum Aufstieg nutzten. Die Gastbetriebe am Berg freuten sich über das unerwartete Umsatzplus. Tatsächlich sind Sportarten wie Schneeschuhwandern, Langlaufen, Skitourengehen und auch Randsportarten wie das Eisklettern stark im Kommen. Der Alpenverein reagiert mit einer großen Bandbreite von Ausbildungskursen auf diese Trends und manifestiert so seine Stellung als führende alpine Kompetenz.

Der Alpenverein steht für Erholung, was meinen Sie, hat der klassische Hotelurlaub im Skigebiet ausgedient? Immerhin interessieren sich zahlreiche Urlauber für Übernachtungen in Iglus, Hütten und Co….

Das Eine ergänzt das Andere, würde ich sagen. Natürlich suchen immer mehr Menschen auch den Kontrast zum täglichen Leben, in dem sie sich bei „unbequemen Abenteuern“ selbst spüren wollen. Dazu kommt, dass mit der heutigen, sehr guten Ausrüstung auch extremere Aktionen durchaus nicht unangenehm sein müssen.

Was ist das Besondere an einem Urlaub auf einer Hütte? Fehlt dem durchschnittlichen Skiurlauber hier nicht mitunter der Luxus?

Es ist nicht jedermanns Sache, in einem Matratzenlager mit fremden Personen zu schlafen. Aber die Hütten haben üblicherweise etwas „Urgemütliches“, sie erfüllen ein Klischee, das positiv behaftet ist. Auch das Gemeinschaftserlebnis, wieder einmal ein Spiel zu spielen oder einfach nur mal weg vom Computer und Smartphone zu sein, genießen viele als Entschleunigung. Man begibt sich in eine Welt fernab vom üblichen Trubel und den alltäglichen Sorgen. Außerdem wirkt alleine der Aufenthalt in der Höhe sehr positiv auf den Körper – wenn man dabei noch sportlich aktiv ist, geht es einem danach so richtig gut. Das entdecken immer mehr Leute. In der Familie oder im Freundeskreis ist das Besondere, dass nicht so viele Ablenkungen da sind und nicht jeder mit „ach so wichtigen Terminen“ wieder wegspringt. Das Zusammensein ist aufmerksamer, ungestörter.

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©Kleinglockner (Alpenverein/Norbert Freudenthaler)

Würden Sie sagen, dass viele Urlauber heutzutage die sicherheitstechnischen Aspekte auf der Piste -in welcher Form auch immer- unterschätzen?

Moderne Liftanlagen wie man sie in den meisten populären Skigebieten mittlerweile vorfindet, bestechen durch hohe Förderkapazitäten und geringe Wartezeiten. Das Ergebnis ist eine ständig steigende Zahl an Skifahrern, die gleichzeitig auf der Piste sind und die Unfallwahrscheinlichkeit erhöhen. Moderne Skipisten sind sehr breit, perfekt präpariert und dadurch natürlich prädestiniert, die Ski mal laufen zu lassen. Wenn es dann zum Unfall kommt, hat dies oft ernsthafte Verletzungen zur Folge. Der Trend zu Helm und Rückenprotektor ist sehr positiv zu bewerten, hat vermutlich aber auch einen negativen Einfluss auf die Risikowahrnehmung der Wintersportler und deren Verhalten.

Welche Vorteile bringt mir eine Mitgliedschaft in Ihrem Verein?

Der Österreichische Alpenverein ist Österreichs größter alpine Verein, die größte Jugendorganisation Österreichs und gesetzlich anerkannte Umweltorganisation. Mit seiner über 150-jährigen Geschichte, mehr als einer halben Million Mitglieder und einer verzweigten Struktur hat er sich zu einer vielfältigen, gesellschaftlich bedeutsamen Institution in Österreich und darüber hinaus entwickelt. Durch eine Mitgliedschaft wird man ein Teil dieser Philosophie. Zudem bietet die Alpenvereinsmitgliedschaft Ermäßigungen auf über 1.700 Hütten und eine weltweit gültige Freizeit- und Unfallversicherung. Zudem steht ein großes Angebot von Freizeit- und Aktivprogrammen für Kinder und Erwachsene ebenso offen wie die Möglichkeit einer Aus- und Fortbildung für Bergsportler.

Wer nur einen Hammer als Werkzeug kennt, sieht in jedem Problem einen Nagel. Wer nur das Alpinskifahren kennt, sieht in jedem Berg ein Skigebiet
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©Die Pasterze (Alpenverein/Monika Melcher)

Ist ein alternativer Winterurlaub familiengerecht? Welche Vorteile verbinden sich für Kinder mit der Tatsache, eine Landschaft vielleicht von einer vollkommen anderen Seite zu erleben?

Gegenfrage: Was beschreibt denn einen alternativen Winterurlaub? In erster Linie zeichnet er sich wohl über das Fehlen eines anlagenbezogenen Massentourismus aus. Anstatt inszenierter Bergerlebnisse der großen Skidestinationen stehen die individuelle Erfahrung und das natürliche Bergerlebnis im Vordergrund, daher ist er selbstverständlich familiengerecht. Kinder sollen auch die Möglichkeit erhalten, Landschaften in ihrer Ursprünglichkeit und Schönheit, abseits von Liftanlagen, weißer Kunstschneebänder und Apres Ski kennen lernen zu dürfen. Die Freihaltung unberührter Landschaften von technischer Infrastruktur ist daher entscheidend für die künftige Wahrnehmung und Wertschätzung unserer Alpen. Frei nach Paul Watzlawicks Anleitung zum Glücklich sein: „Wer nur einen Hammer als Werkzeug kennt, sieht in jedem Problem einen Nagel. Wer nur das Alpinskifahren kennt, sieht in jedem Berg ein Skigebiet“.

Welche Menschen sind es, die sich für ein alternatives Urlauben interessieren?

Früher wurde der Winterurlaub als Skiurlaub wahrgenommen, mittlerweile haben sich Urlaubsverhalten und die Erwartungshaltung an den Winterurlaub gewandelt. War man früher den ganzen Tag im Skigebiet unterwegs, reicht Alpinskifahren alleine heute nicht mehr aus. Nun stehen Landschaftserlebnis, Wellness, die eigene Gesundheit und Erholung in der Erwartungshaltung ganz weit oben. Dementsprechend wird nach einem diversifizierten Angebot gefragt, das auch abseits der Skigebiete überzeugen kann. Es lassen sich viele Zielgruppen für einen alternativen Urlaub begeistern, entscheidend ist die Positionierung der Region durch alternative Angebote zum Alpinskifahren (Kulinarik, Wellness, Landschaft, Kultur, …). Durch den generellen Wandel des Winterurlaubs (Klimawandel mit schwindender Schneesicherheit, stärkeres Umweltbewusstsein in den Herkunftsländern, demographischer und kultureller Wandel der Gesellschaft…) werden sich jene Destinationen etablieren, die bewusst und rechtzeitig auf ein vielseitiges und authentisches Angebot abseits des anlagen- und schneebezogenen Winterurlaubs setzen.


Alpenverein_MonikaMelcher_Großglockner2016 ©Großglockner (Alpenverein/Monika Melcher)

INFOBOX

Der Alpenverein ist der größte alpine Verein Österreichs. Seine wichtigsten Aufgaben liegen in der Förderung und Ausübung bergsportlicher Tätigkeiten (Wandern, Bergsteigen, Klettern, Skitouren sowie Trendsportarten in den Bergen) und der dazu notwendigen Ausbildung von Fachleuten. Der Alpenverein stellt mit Hütten, Wegen und Kletteranlagen die dafür erforderliche Infrastruktur bereit und sorgt für fachliche Beratung und Information, z. B. mit seinen Alpenvereinskarten, Fachzeitschriften und Internet-Diensten. Über 500 Alpenvereinshütten – davon 232 ÖAV-Hütten – freuen sich auf Ihren Besuch! Die Alpenvereine kümmern sich um ein 40.000 km langes Wegenetz in den österreichischen Alpen. In den Arbeitsgebieten der Alpenvereinssektionen werden die Wege und über 200.000 Schilder mit hohem Arbeitsaufwand ehrenamtlich in Stand gehalten.
Quelle: https://www.alpenverein.at/

Die Freiwilligenarbeit spielt in Ihrem Verein eine große Rolle. Was muss ich mitbringen, wenn ich helfen möchte?

Wer helfen will, ist wohl überall willkommen! Aber ich würde sagen Begeisterung, Liebe zur Natur und den Bergen und natürlich auch die Identifikation mit den Werten des Vereins. Unseren Ehrenamtlichen ist neben dem bergsportlichen Engagement auch der Einsatz für den Erhalt der ursprünglichen Bergwelt und die Förderung der Jugendarbeit ein Anliegen. Zurück bekommt der Ehrenamtliche eine sinnstiftende Tätigkeit, indem er in einem Kreis aus Gleichgesinnten mitarbeitet und gemeinsam etwas bewegt. Der Alpenverein hat mehr als 11.000 FunktionärInnen und Tausende Freiwillige, die sich ehrenamtlich in ganz Österreich für den Verein engagieren.

Was hat es mit der Alpenvereinakademie auf sich und wer kann sich hier weiterbilden?

Gute Ausbildung ist dem Alpenverein wichtig. Um diese transparent darzustellen und bestmöglich zu organisieren wurde vor fünf Jahren die Akademie gegründet. Alle vom Hauptverein angebotenen Ausbildungen sind hier zu finden, entsprechend beschrieben und online buchbar. Die meisten Kurse sind für alle Interessierten offen. Unser Anliegen ist es, gerade auch für Wintersportler im freien Gelände, Verantwortung zu übernehmen, indem wir entsprechende Qualifikationen anbieten. Übungsleiterausbildungen für Skitouren oder risk´n´fun freeride möchte ich hier nur als Beispiel nennen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihres Vereins?

Ich hoffe, dass sich der ÖAV weiterentwickelt und dabei den schmalen Grat zwischen Eintreten für die Natur einerseits (Anwalt der Alpen) und der Ermöglichung des Bergsportes meistert. Eine maßvolle Mitgliederentwicklung wird angestrebt. Eines der Hauptaugenmerke wird auf die Erhaltung der Hütten und Wege zu legen sein, da sie die Basis für den Wanderurlaub in Österreich darstellt.

Vielen Dank für das Interview!
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