Ralf "Olli" Göddeke

Reiseveranstalter-Pfiff Reisen

Warum Skitourismus auf Dauer kein Jedermann Sport mehr sein wird

Ralf "Olli" Göddeke

Reiseveranstalter-Pfiff Reisen
Der gebürtige Sauerländer und Wahl-Münsteraner Ralf „Olli“ Göddeke ist als Geschäftsführer der Pfiff-Reisen GmbH seit über 25 Jahre ein ausgewiesener Experte für Gruppen-Skiurlaube. Der Touristik-Fachmann gilt als Kenner der Schweizer Wintersportziele und hat ein Faible für den französischsprachigen Teil der Schweiz.
Herr Göddeke, das Jahr 2015 hat für Sie als Veranstalter von Skireisen mit dem Schwerpunkt der Schweiz nicht besonders glücklich angefangen. Haben Sie den Wegfall des fixen Wechselkurses zu diesem Zeitpunkt für möglich gehalten?

Wir hatten damit gerechnet, dass die SNB den Kurs nicht ewig würde stützen können.
Allerdings hatten wir angenommen, dass dies erst gegen Ende der vergangenen Saison passieren würde, etwa Mitte/ Ende März. Im Januar hat es uns, wie den gesamten Tourismus in der Schweiz, kalt erwischt.

Gab es Reaktionen Ihrer Kunden? Gab es Stornierungen oder haben Sie Veränderungen im Buchungsverhalten bemerkt?

Natürlich waren die Kunden verunsichert und es gab an den Tagen nach dem Wegfall des festen Wechselkurses viele Nachfragen. Stornierungen gab es keine. Wohl aber eine gewisse Zurückhaltung. Wir schreiben unsere Reisen in die Schweiz allerdings auch in Euro aus und haben auf eine – unter diesen Umständen durchaus erlaubte – Anpassung der Preise verzichtet. Insofern haben wir den Kursverlust getragen und die Gäste blieben davon unberührt. Dies ist der Vorteil für den Gast, der über einen Veranstalter und nicht direkt vor Ort bucht. Geholfen hat uns auch, dass die Liftgesellschaft in unserem „Hausskigebiet“ Portes du Soleil die Skipasspreise auf der Schweizer Seite des Gebiets an die in Euro gehandelten Pässe auf der französischen Seite angepasst hat. Daran werden sie auch in der kommenden Saison festhalten.

Ist die Schweiz mit dem momentanen Frankenkurs als Skiurlaubsregion überhaupt konkurrenzfähig im Vergleich zu den Nachbarländern Österreich und Frankreich?

Von den Skigebieten her auf jedem Fall. Wer auf den letzten Cent achten muss, wird sicher die günstigeren Angebote in Österreich finden oder ein Appartement in einem der kleineren französischen Gebieten buchen. Aber seien wir ehrlich: Wintersport ist nie wirklich günstig. Deshalb wird es auch immer Gäste geben, die bereit sein werden, für die großartigen Gebiete in der Schweiz etwa 20% mehr auszugeben.

Wintersport ist nie wirklich günstig...
Sie gelten als ausgewiesener Fan des internationalen Skigebietes „Portes du Soleil“. Die Situation dort ist sicherlich eine ganz besondere, sowohl für Urlauber als auch für Hotellerie, Liftbetriebe und andere Dienstleister – oder?

Wie schon angesprochen, stehen im internationalen Skigebiet Portes du Soleil der französische und der Schweizer Teil des Skigebietes trotz gemeinsamer Vermarktung auch in Konkurrenz zu einander. Deshalb kann die Telechampery eben die Skipaßpreise nicht nur am Frankenkurs festmachen. In den Schweizer Binnenskigebieten wurde das so umgesetzt und hat einige deutsche Gäste verschreckt.
Ich weiß auch aus Gesprächen mit unseren Kunden, dass viele die Gastronomie auf der Schweizer Seite wegen der höheren Preise meiden und auf die Hütten im französischen Teil ausweichen.
Insofern ist Portes du Soleil die einzige Möglichkeit, die bekannt gute Schweizer Pistenpflege zu genießen, ohne dass die durch den schlechten Wechselkurs verursachten höheren Kosten voll durchschlagen.
Dieses Skigebiet punktet ja sowieso mit seinem internationalen Flair und seinem gemessen an der Zahl der Pistenkilometer hervorragendem Preis-/ Leistungsverhältnis.

Wenn man Sie hört, dann spricht eine Menge Begeisterung aus Ihnen für den Skiurlaub im Skigebiet „Portes du Soleil“. Wo verbringt man dort am besten seinen Urlaub und in welcher Jahreszeit sollte man anreisen?
Skilehrer Theiss in Verbier

©Olli Göddeke

Durch die Lage zwischen 1200 und 2100 Metern kann man auch den Jahreswechsel empfehlen. In vielen sehr hoch gelegenen Skigebieten ist dies wegen der Temperaturen und Stürme im Dezember ja nicht immer schön. Grade Portes du Soleil wird aber schon früh im Jahr von der Sonne verwöhnt. Am besten logiert man in den Bergstationen wie Les Crosets oder Avoriaz. Hier heißt es ohne lange Skibusfahrt direkt vom Bett auf`s Brett.
Portes du Soleil bietet aber über den ganzen Winter für verschiedene Könnensstufen etwas. Schön ist auch, dass alle, egal ob Anfänger oder Freak, auf verschiedenen Pisten immer wieder zusammenfinden können. Oft sind die skifahrenden oder snowboardenden Gruppen vom Können her ja inhomogen. Hier trifft man sich über Tag aber wieder und kann zumindest die Pausen zusammen verbringen.
Herrlich sind auch die Wochen um Ostern, wenn es am Genfer See bereits Frühling ist und oben in Portes du Soleil noch beste Pistenverhältnisse herrschen.

Und der perfekte Skitag in den „Portes du Soleil“ – wie sieht er aus?
Welchen Lift / Piste muss man unbedingt gefahren sein? Welchen Geheimtipp gibt es für die Mittagspause oder den Aprés-Ski?

Der perfekte Tag in Portes du Soleil startet mit dem Blick aus dem Fenster des Wintersportclubs Montriond in Les Crosets. Da das Haus direkt an der Piste liegt, kann man,
falls sich z.B. der Morgennebel noch nicht verzogen hat, noch etwas liegen bleiben oder ausgiebig das Frühstücksbuffet genießen. Dann legt man die Skier auf die Piste und sucht sich im Skikarusell Les Crosets den richtigen Lift. Auf breiten gut präparierten Pisten geht es zum Warmfahren nach Avoriaz und vielleicht weiter über die ehemalige FIS- Abfahrt der Damen.
Mittags kehre ich am liebsten im Restaurant „Le Grand Pré (Bonbon Hütte) oberhalb von Morzine ein. Oder treffe mich mit unserem Team in einer der zahlreichen Gastronomien in Plaine Dranse. Zurück geht es über die Mur de Chavanette, die Schweizer Wand, mit 80% Durchschnittshangneigung im oberen Teil mit Pistenfahrzeugen nicht präparierbar. Eine der anspruchsvollsten Pisten der Alpen. Genußskifahrer – wie ich – fahren auf der Ostseite mit dem Lift hinunter. Auf dem Rückweg muss dann noch eine Erfrischung im Buvette de Chaupalin (Schweizer Hütte) oder ein Sonnenbad auf der Terrasse des Le Chaudron(Weißes Haus) sein. Wer Lust auf Après Ski hat, ist in der Schirmbar in Les Crosets genau richtig. Und nach dem Abendessen geht es noch in die gemütliche Bar des Montrionds.

der perfekte Skitag beginnt mit dem Blick aus dem Fenster, direkt auf die Piste...
Kommen wir zur Entwicklung des Skitourismus. Sie sind schon sehr lange dabei und sehr nah am Kunden. Wie erleben Sie Veränderungen in der Kundenstruktur? Gibt es da einen Wandel?

Man merkt – wie in der ganzen Gesellschaft – dass die geburtenstarken Jahrgänge langsam in ein Alter kommen, wo sie nicht nur aus dem Job ausscheiden, sondern aus verschiedenen Gründen ihre Freizeit anders gestalten. Noch haben wir zwar einen großen Stammkundenkreis, aber es gibt auch bereits langjährige Kunden, denen der Wintersport, in der Form, wie sie ihn bisher betrieben haben, zu anstrengend wird. Viele sehnen sich auch nach Wärme im Winter und verbringen die vormals für den Wintersport genutzten Tage jetzt lieber auf den Kanaren, im Mittelmeerraum und der Karibik. Durch die in den letzten 20 Jahren ständig gesunkenen Flugpreise und die günstigen Unterkünfte vor Ort sind solche Reisen eine echte Konkurrenz für die Alpen- Destinationen geworden.
Das jüngere Publikum ist zahlenmäßig deutlich geringer. Dazu kommt, dass in den letzten Jahren nur in wenigen Schulen der Nachwuchs an den Wintersport herangeführt wurde. Vielen Familien wurde er vor zehn Jahren schon zu teuer. Auch hier sind potenzielle Kunden verloren gegangen. Wer es als Kind gewohnt ist, mit der Familie im Winter einige Tage in den Bergen zu verbringen, wird das auch als Erwachsener meist beibehalten und es an seine Kinder weitergeben. Aber auch viele Familien haben sich vom Wintersport abgewandt und verbringen im Winter kostengünstigere Ferien im Süden, wenn es denn für zwei Urlaube im Jahr überhaupt reicht. Man muss dafür Verständnis haben: für das Geld, was eine vierköpfige Familie nur für die Skipässe ausgibt, bekommt man schon einen Flugurlaub in Südeuropa.
Ganz allgemein ist das eine Crux im Wintertourismus. Durch die höheren Ansprüche der Touristen sind in den Skigebieten große Investitionen getätigt worden. Denken wir nur an die heutigen superschnellen und komfortablen Lifte, zum Teil mit Schutzfenstern und Sitzheizung, die großen Kabinengondeln und die vielen Beschneiungsanlagen. Dies alles hat aber auch die Skipaßpreise in die Höhe getrieben. Gleichzeitig haben wir ganz allgemein eine Tendenz zum Billigtourismus. Da ist vielen der Wintersport im Vergleich einfach zu teuer. Dazu kommt, dass die Ansprüche an die Ausrüstung extrem gestiegen sind. Als wir 1987 mit Wintersport angefangen haben, buchten neue Kunden oft einen „Schnüffelurlaub“ und kamen zum ersten Skikurs in Jeans und Parker. So geht heute auch kein Anfänger mehr auf die Piste. Natürlich dienen moderne Funktionskleidung, Helme, Lawinenpiepser etc. der Sicherheit. Aber es treibt eben auch die Kosten und hält sicherlich einige Interessierte vom Einstieg ab. Dabei ist der durch die Carvingski deutlich leichter als damals.

INFOBOX

Die Pfiff-Reisen GmbH aus Münster ist seit über 20 Jahren als Reiseveranstalter mit dem Schwerpunkt Skiurlaub tätig.
Das Unternehmen bietet Gruppenurlaub für Singles, Familien und Sportbegeisterte im Alter bis 65 Jahren in eigenen Sporthotels an.

Infos: www.pfiff-reisen.de

Wenn Sie heute prognostizieren müssten: wie sieht der Skitourismus 2030 aus? Was wird sich in den nächsten 15 Jahren Ihrer Meinung nach ändern?

Es steht zu befürchten, dass aus der Massenbewegung, die der Skitourismus in den 80ger und 90ger Jahren zweifellos war, eine Rückentwicklung hin zum Elitären wird, wie etwa in den 50ger Jahren. Es wird eine Konzentration auf die höhergelegenen Skigebiete, welche es geschafft haben sich als Marke darzustellen, stattfinden. Viele Mittelklasseunterkünfte werden verschwinden. In dieser Kategorie gibt es heute schon bei vielen Betrieben einen Investitionsstau und viele Hoteliers finden keine Nachfolger. Die zahlungskräftigen Wintersportler wenden sich der 5 und 6 Sterne Hotellerie zu. Die weniger Zahlungskräftigen suchen Angebote in der Parahotellerie. Nur Häuser in guten Lagen mit kurzen Wegen ins Skigebiet werden noch Rendite erwirtschaften können. Die jetzt schon auszumachende Tendenz zu kürzeren Aufenthalten über ein langes Wochenende statt 7 Tagen Skiurlaub wird anhalten. Der Rückgang der Wintersportler in Westeuropa wird sich meiner Meinung nach auch nicht durch neue Kundenkreise aus Osteuropa oder Asien ausgleichen lassen.
Der Wintersport wird sich aufgrund von mehr älteren Touristen weg vom nur Ski- oder Snowboardfahren auf Schneewandern etc. entwickeln. Diese Touristen werden Orte mit einem
guten Angebot an Gastronomie und Geschäften bevorzugen, da sie nicht mehr alle Urlaubstage nur auf der Piste verbringen werden. Dieses Publikum wird auch überwiegend aus gemütlichen Skifahrern mit hohem Komfortanspruch an Lifte und Liftpersonal bestehen.

Vielen Dank für das Interview!
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